...Bobbele - art!
Die klugen und weisen Freiburger
Kulturverantwortlichen haben wieder einmal Geschmack bewiesen!
Und dieses Mal sogar LEGAL mit großem Rückhalt ihrer Wähler.
Glückwunsch!
Offener Brief. Februar 2005
...ein Halbes Jahr später
dann:
"BeMa" versus ... |
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... breite Akzeptanz. |
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Hier die Unterlagen dieser Angelegenheit in chronologischer Abfolge: Teil 1 und Teil 2.
07. April 2005.
Der Freiburger Beirat für Kultur im öffentlichen Raum, Herr Könneke und Herr
Winkler nun also und endlich in der Badischen Zeitung:
Frecher Fratz für Belus und
Malou
Skulptur von Thaddäus Hüppi ersetzt umstrittene Plastiken
VON UNSERER MITARBEITERIN LAETITIA OBERGFÖLL
Die umstrittenen Skulpturen Belus
und Malou an der Urachstraße im Stadtteil Wiehre sind abgebaut - seit Herbst
vergangenen Jahres schaut an dieser Stelle nun ein freches Gesicht auf die
Betrachter hinunter. Ausgewählt hat die Skulptur des in Baden-Baden lebenden
Künstlers Thaddäus Hüppi der Freiburger Beirat für Kultur im öffentlichen Raum,
der sich aus Kunstsachverständigen, Vertretern des Hochbauamts und des
städtischen Eigenbetriebs Stadtgrün zusammensetzt. Das Kunstwerk soll zunächst
bis Herbst 2006 auf der Grünfläche stehen bleiben.
„In die Skulptur kann man viel hineinlesen, man kann sie ironisch
interpretieren oder eben nicht. Ich finde, sie ist sehr spielerisch und passt
sehr gut hierher", sagt Achim Könneke, der Leiter des Freiburger Kulturamts zu
Hüppis Werk. Die Künstler Dieter E. Klumpp und Lubor Kurzweil hatten mit der
Ausstellung der beiden nackten Frauenkörper Belus und Malou für reichlich
Diskussionen bei Anwohnern und Kunstkennern gesorgt. Vor allem Anwohnerinnen
hatten dem Werk eine frauenfeindliche Aussage unterstellt und den Abbau
gefordert. Anfang 2004 hatte
Könneke erklärt, dass die
Grünfläche an der Urachstraße im Wechsel von unterschiedlichen Künstlern
genutzt werden solle. Die Schöpfer von Belus und Malou hatten mit Plakaten
gegen den Abbau ihrer Kunstobjekte protestiert - vergeblich. In Zukunft sollen
hier im zweijährigen Wechsel neue Objekte aufgestellt werden. Hüppis Figur, die
an eine Märchengestalt erinnert, macht den Anfang.
„Die Skulptur ist bislang im Besitz des Künstlers, ob wir sie nach Ablauf
des Vertrags zurückgeben oder ob sich Kunstliebhaber finden, die sie dauerhaft
hier haben wollen, werden wir im kommenden Jahr entscheiden", sagt Könneke. Das
hänge auch damit zusammen, ob das dann folgende Kunstwerk mit dem jetzigen
harmoniere.
Bislang sind beim Kulturamt keine Beschwerden über das neue Kunstwerk
eingegangen. Auch der Bürgerverein Mittel- und Unterwiehre hat die Installation
unterstützt. „Wir haben im Sommer des vergangenen Jahres ein Foto von der
Hüppi-Skulptur bekommen und fanden, dass sie gut hierher passt", sagt der
Vorsitzende des Bürgervereins, Klaus Winkler. Er persönlich finde sie sehr
originell und wäre froh, wenn es Kulturamtsleiter Könneke in den kommenden
Jahren gelingen würde, weitere Skulpturen auf der Wiese auszustellen.
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Endlich wissen wir jetzt ganz
gewiss, dass es sich um "echte" Kunst handeln muss und: "Bislang sind beim
Kulturamt keine Beschwerden über das neue Kunstwerk eingegangen. Auch der
Bürgerverein Mittel- und Unterwiehre hat die Installation unterstützt."
Es herrscht wieder Ruhe im Karton. Endlich. Die "Kunstsachverständigen" haben
sie uns dank ihres originären und profunden Wissens und ihrer besonderen
Kenntnis beschert. Den Bürgern, dem Gemeinwohl, uns allen. Danke!
Was will man mehr?
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2009, Ende Juni. Fünf Jahre später:
Dieter E. Klumpp ·
Email: d_klumpp@hotmail.com ·
Freiburg, den 23. Juni 2009
Offener Brief.
An die Herren von Kirchbach, Könneke und Winkler.
Sehr geehrte Herren,
Am 3. Juni 2004 ließen Sie (Herr von Kirchbach und Herr Könneke) meine
Skulpturengruppe „Belus und Malou“ zwangsräumen. Ob dies Herr
Winkler als Vorsitzender des Bürgervereins Unterwiehre inhaltlich unterstützte,
weiß ich nicht. Ich meine, er schaute weg und hüllte sich in
Schweigen.
Damals versprachen Sie den
Wiehrener Bürgern, dass im Wechsel, alle ca. zwei Jahre, an der Urachstraße
neue Skulpturen aufgestellt werden würden. Es war sogar die Rede von einer
„Skulpturenallee“.
Nichts ist seitdem geschehen, wenn man von dem „Lückenbüßer“ von
Hüppi, der seit dem dort aufgestellt ist, und der niemandem etwas tut, einmal
absieht.
Das war vor fünf Jahren.
War etwa die „allgemein schlechte wirtschaftlichen
Lage" Ursache für Ihr verzögertes Handel?
Ich hätte Ihnen damals schon sagen können, dass Sie leere Versprechungen
machen. Heute aber sage ich Ihnen, dass Sie lügen.
Sie machen Ihren Reputationen als „Kunstverwalter“ alle Ehre.
Dieter E. Klumpp
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2010, 28. März Brief an die BZ von Philipp Enders
Fragen eines rückwärts Gewandten
Wäre Freiburg Köln, dann wäre die Wiehre mein Veedel. Freiburg ist aber nicht Köln, und deshalb ist die Wiehre schlicht und einfach das Viertel, in dem ich aufgewachsen bin. Auf dem Urachspielplatz lernte ich das Errichten und Zerstören von Sandburgen, und das Kommunale Kino lehrte mich Filmkultur. Mittlerweile lebe ich in Köln und kehre, wenn auch regelmäßig, doch nur noch selten in meine Heimatstadt zurück.
Wir alle kennen das Phänomen, dass uns die Veränderungen an einem Ort umso mehr auffallen, je seltener wir ihn besuchen. Zwei Meldungen dieser Zeitung vom 14. und 21. Oktober vergangenen Jahres, die skulpturale Gestaltung der Urachstraße habe nun nach ca. fünf Jahren wieder gewechselt, weckten mein Interesse und ließen mich kürzlich einen Spaziergang durch jene Straße meiner Kindheit unternehmen, um die angekündigte Veränderung auf mich wirken zu lassen. Da stand ich also, und vor mir das „Badische Saugkalb" von Astrid Hohorst, das mich nicht im Geringsten überraschte. Von der zitierten Blickverschiebung durch surreale Irritationsmomente keine Spur.
Es ist kein Geheimnis, dass die Wiehre größtenteils bildungsbürgerlich geprägt ist. Doch dass sich hinter der Liebe dieser Gesellschaftsschicht zum Schönen und Guten immer Biedermeierei verbergen muss, will ich nicht gelten lassen. Der längst überfällige Wechsel hat die so genannte "Open-Air-Wechselausstellung" Ecke Glümerstraße nun doch nicht ereilt – angestrebt war ursprünglich eine zweijährige Laufzeit pro Exponat, wie in der Ausgabe dieser Zeitung vom 7. April 2005 nachzulesen ist. Stattdessen hat man sich offenbar für die zweite Variante entschieden, die der „Kunstmeile“ bis hinunter zur Günterstalstraße. Gut. Zurecht verweist der Artikel vom Oktober auf eine gewisse Tradition, auf die wir jetzt schon zurückblicken können. Allein, das Lob derselben in diesem ganz konkreten Fall kann ich nur als Ironie verstehen.
Was ist von der einstigen Brisanz einer Figurengruppe wie "Belus und Malou" von Dieter E. Klumpp und Lubor Kurzweil geblieben? Gebrochen und bleich luden die Plastiken zum Stehenbleiben, Reflektieren, sich Wundern oder Ärgern ein. Es folgte ihnen der Titellose von Thaddäus Hüppi, seit ein paar Jahren begleitet durch das „Narzissenfeld“ Annette Merkenthalers in den Astgabeln der umstehenden Bäume. Beide ließen und lassen mich in ihrer Niedlichkeit völlig unberührt. Welchen Kunstbegriff hat das Freiburger Kulturamt, haben die Bürger der Wiehre? Was soll Kunst leisten, wenn sie nicht irritieren darf?
Wie gesagt: Freiburg ist nicht Köln, und ich möchte die Wechselausstellung an der Urachstraße auch nicht mit der ebenfalls im Zwei-Jahres-Turnus wechselnden "KölnSkulptur" vergleichen. Aber ein bisschen Wille zur Auseinandersetzung mit einem Kunstwerk, mit sich selbst und letztendlich mit Kultur darf dem Betrachter schon zugemutet werden, hier wie dort. Dazu reicht eine gelbe Klammer nicht. Und natürlich hofft man, dass dem Kalb das Schicksal des Holbeinpferdchens erspart bleiben möge. Lassen Sie mich zurück blicken: Wie war das bei Belus und Malou? Ihnen blieb dieses Schicksal nicht erspart. Die Vermutung liegt jedoch nahe, dass die gleichen Menschen, die beim Kalb wie beim Pferd eine Umgestaltung ablehnen, diese an der Klumpp'schen Figurengruppe selbst vorgenommen haben. Das nennt man Doppelmoral.
Erspart blieb eine Umgestaltung, mit der Kunst im öffentlichen Raum immer rechnen muss, auch dem "Marsyas" nicht. Dabei handelt es sich um die Plastik, die ihren festen Platz vor dem KG IV der Albert-Ludwigs-Universität hat, und der in den späten 80ern und frühen 90ern regelmäßig die Hand rot gemalt wurde. Die Figur ist ein Werk des kürzlich verstorbenen Künstlers und ehemaligen Klumpp-Lehrers Alfred Hrdlicka. Was unterschied die blutende Hand des Satyrs und die nächtliche Verwandlung des Holbeinpferds zum Streiter für die Bildung von der Zwangsbekleidung Belus’ und Malous? Sicher waren alle drei nicht rechtens. Doch während man im Falle des Marsyas und des Pferds den Eindruck einer Aktion bekam, die in erster Linie für eine Sache einstand, war die Verunstaltung von Belus und Malou von bigotter Aggression gegen ein Kunstwerk geprägt. Hier konnte auch noch der letzte kulturelle Trittbrettfahrer aufspringen und endlich ein bisschen rebellieren. Was man dabei übersah ist, dass die Plastiken in Wirklichkeit erst durch die Bemalung und Verhängung obszön wurden. Nackt waren sie ehrlicher gewesen.
Wenn ich einmal von meiner starken Sympathie für die Figurengruppe und von besagter Obszönität absehe, bleibt der Kern aller drei Aktionen jedoch derselbe, nämlich ein sozialdynamischer, ein politischer.. Ein guter Kern. Ein lebendiger. Wäre der Marsyas in der Wiehre aufgestellt worden, fremd, nackt und verstümmelt wie er ist, was wäre ihm dort zugestoßen? Auch wenn die Wiehremer sich mit ihrer Meinung über einen so etablierten Künstler wie Hrdlicka sicher nicht weit aus dem Fenster gelehnt hätten, so hätte der Krüppel Marsyas doch zumindest für Aufregung gesorgt, hätte für einen Moment die alltägliche Trägheit aufgebrochen. Wer glaubt im Ernst, dass das Saugkalb dazu die Kraft hat?
Philipp Enders