22 BADISCHE ZEITUNG
KULTUR

Nicht
mehr
nackt

Die Wandlung der

Skulpturen Belus

und Malou in Freiburg

Inzwischen sind sie bekleidet. Mit Hosen, etwas
Blusenähnlichem
und sogar mit Kopftuch.
„Belus" und „Malou", so heißen die beiden
ursprünglich nackten Skulpturen, die in der
Urachstraße, dem Wiehrebahnhof gegenüber,
von Eisenstäben durchbohrt und mit eingeklemmten
Arm an einem hölzernen Gerüst hängen. Ihre
insgesamt acht Brüste sind seit kurzem züchtig bedeckt.

Vor rund einem Jahr hatte es um die beiden heftigen
Streit gegeben: „Frauendiskriminierung, Frauenfolter",
so die Klage. Der Protest gipfelte damals in dem Satz:
„Soll sich meine kleine Tochter etwa daran gewöhnen,
dass gequälte, an Eisenstangen aufgehängte Frauen
im öffentlichen Raum als Kunst angesehen werden?"

Aber auch vor dem kunstkritischen Blick hatten „Belus"
und „Malou" damals keine Gnade gefunden. „Die
Figuren sind nicht frauendiskriminierend", hatte ein
grauhaariger Kunstkenner bei einer Ortsbegehung mit
dem Kulturamt bekundet, „die Figuren sind", und da
hatte er eine Spannungspause eingelegt, „einfach schlecht.
Zwei Nasen, vier Brüste, billige surrealistische
Effekte -so billig wie die Figuren bei Dali."

Diese Despektierlichkeit einem Heros der Kunst gegenüber hatte einige der Umstehenden aufgeschreckt. „Dali nennen Sie billig", wurde empört eingewandt, &das ist doch ein großer Künstler."

Und herausfordernd, ja fast aufs Private zielend, wurde der Kunstkenner gefragt, was ihn an vier Brüsten denn störe. „Dass sie nichts Neues sind", hatte die mürrische Antwort gelautet. Und: Ob vier oder zehn Brüste, das sei ihm egal. An dieser Stelle hatte der Moderator begütigend mit der Bemerkung eingegriffen, dass man mit dem Brüstezählen hier wohl nicht recht weiter käme.

Die Künstler Lubor Kurzweil und Dieter Klumpp aber hatten die ganze Zeit über geschwiegen. Doch sie hatten Fürsprecherinnen, die für sie in die Bresche sprangen.
„Für mich wirken die Figuren eher meditativ, so ruhig. Sehr schön", hatte eine Frau
geäußert und zartfühlend die an ihrer Stange hängende Belou betrachtet. Aber nun
wurden einige energisch und wollten die Schöpfer direkt hören, und was sie sich
dabei überhaupt gedacht hätten. „Ich dachte an Erdmutter Gaja" begann der eine
in die erwartungsvolle Stille hinein. „Und an die Genetik, und wie diese die Körper
der Menschen verändert, in die Mangel nimmt, sie ummodelt. Es soll eine Warnung
sein." Ein entschiedenes „Hmmm" stand nach diesen Sätzen fast hörbar über dem Platz.

Inzwischen will irgendwer die Warnung vor der biologischen Apokalypse und die
überzähligen Brüste von Belus und Malou wohl nicht mehr ständig bedenken.
Und so hat sich dieser Irgendwer vielleicht bei der Altkleidersammlung bedient,
um die zwei Märtyrerinnen auszustaffieren. Vielleicht wird es den beiden wie dem
Pferdchen im Freiburger Holbein-Viertel ergehen, das von seinen Fans ständig neu
dekoriert wird. Öfters mal neue Kleider, das ist in der konfliktreichen Geschichte
menschlicher Beziehungen schon häufig die Lösung gewesen.
Elisabeth Kiderlen

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