Dieter E. Klumpp und Lubor Kurzweil
Martackertenstr. 38
79112 Freiburg
Tel.: 07665 - 99289


An die BADISCHE ZEITUNG per email

Freiburg, den 19. September 2003
Zum Artikel vom 27.08.2003: „Nicht mehr nackt“ in der BZ


Bezüglich des Artikels „Nicht mehr nackt“ in der BZ vom 27.08.2003 möchten wir Folgendes ergänzend darstellen. Das Holbeinpferdchen besitzt sicherlich eine gravierende soziale Funktion in der Form, als dass sich Menschen durch dessen Präsenz geneigt fühlen, sich an ihm gestalterisch zu betätigen. Soweit scheint es auch bei BELUS und MALOU gekommen zu sein. Menschen, die sich offensichtlich provoziert oder in sonstiger Form davon berührt fühlen, wollen oder müssen die Form dieser Arbeit für sich „vereinnahmen“, in dem sie an ihr tätig werden. Während unlängst BELUS und MALOU mit dessousartigen Linien sexualisierend „geschönt“ wurden, sind sie nun gänzlich verhüllt (warum nicht auch ihre Gesichter, weiß ich nicht).
Was erstaunt, ist, dass es offenbar für Teile der Bevölkerung weniger wichtig zu sein scheint, von den Künstlern den Inhaltsgehalt der Arbeit direkt zu erfahren: Actio – Reactio. Man sieht etwas (ob es verstanden wurde, ist eine andere Frage) und reagiert auf das, was man zu sehen meint. Man gibt sich den Inhalt also selbst und macht beispielsweise die Aussage, dass da eine gemarterte Frauengestalt (MALOU) „hinge“. Hätten wir Urheber wirklich im Sinne geführt, eine gemarterte, gefolterte oder wie auch immer gedemütigte weibliche Figur zu erschaffen, sähe sie gewiss so nicht aus. In der Kunst, respektive in der Bildhauerei, gehört das Konzipieren eines Arrangements zu einer der künstlerischen Grundlagen. Bei MALOU war u.a. die Frage wichtig, wie man den Eindruck des Schwebens (oder des Frei- und Losgelöstseins) erzeugt. Aus der Erfahrung unserer Alltagsphysik aber wissen wir, dass ein Gegenstand unter natürlichen Bedingungen immer senkrecht zum Erdmittelpunkt hin fällt. So entstand allmählich die Idee der (fast) graphischen Horizontalen (welche die Betonmasse praktisch hält) in Bezug zur eleganten, delphingleichen Bewegung, welche dieser Figur inne ist, um sie, wie schon gesagt, frei, bewegt und dynamisch erscheinen zu lassen. Wäre unsere Absicht gewesen, den Eindruck des Aufgespiesstseins zu vermitteln, hätten wir uns um eine andere formale Lösung bemüht. Wundränder (durch Schnitte oder Stiche verursacht) werfen sich nach außen auf und erscheinen daher kraterförmig. Die Stangen, welche nichts als horizontale Linien ausdrücken wollen, sind hingegen glatt in die Formoberfläche MALOU’s eingefügt. Mit viel Liebe und Sorgfalt, sei hier nebenbei erwähnt. Wenn ich schon dabei bin: auch BELUS’ Arm ist nicht abgehackt und letztlich angekettet. Bei dieser Form genügte ein torsohaftes Fragment um erstens – bezüglich seines rechten „Armes“ – die Form aufzulösen und zweitens die gesamte Betonlast sicher zu fixieren.
Und zum Thema: „VIER Brüste“ (=frauenfeindlich?) noch ein letztes Wort ohne besondere Hineindeuteleien und Neointerpretationsversuche. Unter anderem muss ich mein täglich Brot als Aktzeichenlehrer verdienen (weil BELUS und MALOU ja leider nicht verkauft sind). Da passiert es meist, dass TeilnehmerInnen, die die weibl. menschliche Figur modellieren, nicht schnell genug so etwas wie „Brüste“ an ihren Torso pappen wollen (nach meiner jahrzehntelangen Beobachtung sind Teilnehmerinnen hierbei meist um einiges schneller als ihre männl. Kollegen). Als geduldiger Lehrer weise ich darauf hin, dass doch zunächst der Hauptfluss innerhalb einer Form stimmen muss, große, durchgehende Flächenverläufe also, bevor ich an die kleinen, sekundären Formen gehen kann. Denn wollte ich umgekehrt vorgehen, müsste ich alles der kleinen Form unterordnen und dies brächte mich in gewisse gestalterisch-handwerkliche Schwierigkeiten. Also sage ich meist jovial, dass wenn wir es geschafft haben, den Hauptfluss stimmig erstellt zu haben, es dann ziemlich egal ist, ob wir zwei, vier, sechs oder mehr kleine Formen dem großen Ganzen hinzu addieren. Dies haben wir u.a. bei BELUS und MALOU, teilweise sogar durch Körperabgüsse, demonstriert und die Richtigkeit dieser These bestätigt. Die ungläubigen unter unseren Kritikern lade ich an dieser Stelle zu einer 2-stündigen Demonstration ein, wo Sie gerne selber Hand anlegen dürfen.

Dass es wegen dieser Figurengruppe einen Gesprächsbedarf gab und sicherlich noch gibt, mag so sein. Vor einem Jahr im September stellten wir uns der Öffentlichkeit. Viel wurde geredet und erwogen. Merkwürdig daran war allerdings, dass wir, die Urheber, doch sehr wenig an Redezeit hatten. Wer dabei war, mag sich erinnern: WAS an Wichtigem und an diese Arbeit Heranführendes konnten wir da schon an Besonderem erläutern? Einige brachten ihren Unmut zum Ausdruck, andere fanden, es sei eine „ruhige“ Arbeit, einer unserer innigsten Anhänger verglich das Werk gar mit Salvatore Dali (ein herzliches Dankeschön nochmals für diesen würdigenden und schmeichelnden Vergleich, Herr Brügel!).
Retrospektiv neige ich zu der Behauptung, dass es darum ging „Das Ding muss weg!“, wobei nicht klar war (und mir bis heute noch nicht), wer eine solch starke Lobby besitzt, dies durchzusetzen. Uns gegenüber schwieg man sich aus. Deshalb, so folgern wir, war kaum jemand WIRKLICH daran interessiert zu erfahren, was sich die Künstler bei ihrem Werk dachten. Vielleicht sollten wir im Grunde darüber froh sein, denn nichts ist entwürdigender oder sogar peinlich, wenn ein Künstler seine eigene Arbeit interpretieren soll. Denn das wesentliche bei der künstlerischen Arbeit entsteht während des konkreten Schaffens. Nach der Vollendung ist es GETAN und ein Nächstes beginnt.

Bei allen kontroversen Auffassungen setzen BELUS und MALOU immerhin gestalterische Energien frei. In dem Punkt sei ein Vergleich mit dem Holbeinpferd erlaubt. Deshalb sind wir der Auffassung, dass – siehe oben – diese Arbeit nicht lediglich ihre innere Richtigkeit demonstriert, sondern zudem einen besonderen soziokulturellen Auftrag erfüllt. Danke auch an dieser Stelle für den Mut des Bürgervereins Unter- und Mittelwiehre, ein Kunstwerk zu lancieren, das nicht unbedingt auf den sogenannten „breiten Publikumsgeschmack“ abzielt, sondern redlichen künstlerischen Inhalt transportiert.

Dieter E. Klumpp und Lubor Kurzweil

zurück