Biographisches... Schnipsel... Anmerkungen... Erklärungen... Enthüllungen... Wichtiges... Unwichtiges...

 

 


Inhalt:

Kapitel I. Der Beginn des Weges.

Kapitel II. Heilbronn – erste Annäherung – Atelier.

Kapitel III. Erwin Fuchs und „Die Schwarze Hofmännin“.

Kapitel IV.  „Die Schwarze Hofmännin“. Künstlerisches.

Kapitel V.  „Die Schwarze Hofmännin“. Politisches und Soziales.

Kapitel VI.   Wer nicht mit den Wölfen heult... Oder: Wer nicht hören will, muss fühlen!

Kapitel VII.  Die Zeit dazwischen und "Der Raum".

Kapitel VIII. Zeit der Forschung und Erweiterung

Kapitel IX.  Freiburg.... wo sind deine Leichen?

Kapitel X. ....Aber das Leben geht weiter.

Kapitel XI. Heilbronn zum Zweiten.

Kapitel XII. Von der Ehr- und Redlichkeit, Teil I.

Kapitel XIII. Von der Ehr- und Redlichkeit, Teil II.

 

Once in a life-time…..

Warum über etwas bekümmert sein, dem man abhelfen kann? Und gibt es keine Abhilfe, was nutzt es da, sich zu bekümmern?
(Zitat, Dalai Lama)

 

 

Kapitel I. 

Mein Dasein als „Free-Lancer“ (Neudeutsch für „Freischaffender Künstler“) begann ungefähr am Ende meiner Studienzeit, genau in dem Moment, als ich im Herbst 1979 von einem dreivierteljährigen Griechenland-Aufenthalt an die Stuttgarter Akademie zurückkehrte.
Zu ahnen war es nicht. Es kam ganz plötzlich. Überfallartig.
Die Arbeit meiner Kommilitonen erblickend und meine eigenen dazu, erweckten in mir plötzlich ein helles Entsetzen. Ob es wegen der bornierten Klassenstruktur war, der eklatanten Absenz von Gesprächen über Kunst, der allgemeinen Abgrenzungen und Feindseligkeiten innerhalb der damaligen Bildhauerklassen, des allseitigen Epigonentums – ich weiß es nicht. Möglicherweise lag es an allem zugleich.
Immerhin habe ich als Folge dieser Wirkung realisiert, dass der Weg zu mir nur durch oder über mich selbst führt, um es einmal etwas lyrisch zu formulieren. Selbstverantwortlich, keinem künstlerischen „Übervater“ gefallen wollend. Suchen ohne mentale Vorgaben anderer. Frei, keinem von anderen vorgedachten oder postuliertem Kunst-Bild verpflichtet. Dies brachte mir natürlich prompt Ärger mit Hrdlicka ein (wegen der Steinskulptur „Der Erstarrte“ 1979/80), der immer schon genau wusste, WAS Kunst ist und WIE sie (nicht) aussehen darf. Dies wirkte sich aber günstig für mich aus. Ich brachte aus lauter Empörung über seine Reaktion (Klassenschelte vor versammelter Mannschaft: „ Jo mei, dees siacht jo oas wia Daumier...“) meinen an sich respektierten „Kunstvater“ kurzer Hand um. Das machte mich frei und erleichterte mich sehr. Dies war zugleich meine Geburtsstunde als Künstler. Und folglich arbeitete ich entsprechend: Ich „fand“ „Die Hockende I“, 1980 (im Besitz des Herrn Heinrich, Weingut Heinrich, Heilbronn). Danach entstand der „Tote Fischer“, 1980 (im Besitz der Städt. Museen, Heilbronn), für den ich einen Akademiepreis erhielt (Bemerkung: soweit ich weiß, der einzige Preis, der je an jemanden aus der Hrdlicka-Klasse ging. Warum wohl?).

 

Kapitel II.

Nach diesem heilsamen Schock und der erfahrenen Anerkennung, versuchte ich meine Arbeit „an den Mann“ zu bringen. Da ich in Wirklichkeit auswandern wollte, zwischenzeitlich aber viele und teilweise riesige Steinskulpturen mein Eigen nennen durfte, waren mir diese – bei aller Liebe zu ihnen! – bei der Durchführung meiner Pläne aber eher hinderlich. Dem Garten meiner armen Eltern konnte ich nicht noch mehr dieser sittlich nicht einwandfreien Steine zumuten. Der Nachbarn und der amtlichen Moral wegen. Drei dieser an Volumen größten Skulpturen empfahl ich der Stadt Heilbronn (...aus der ich stamme. Deshalb) als kostenlose Dauerleihgabe. Ein ehrlicher Kulturbürgermeister (Pfitzer hieß er, wenn ich richtig erinnere) antwortete mir kurze Zeit später brieflich, dass er sich für das Angebot bedanke, er aber nicht entsprechende Kenntnis habe, Kunst zu beurteilen und er folglich meine Empfehlung an Herrn Dr. A. Pfeiffer, Direktor der Städtischen Museen zu Heilbronn, weitergeleitet habe. Auch dieser meldete sich bei mir, um die betreffenden drei Arbeiten zu begutachten. Also trafen wir uns eines Tages an der Akademie. Er wollte plötzlich alles sehen, was ich bis dahin gemacht hatte. In seinem Dienstwagen (mit Chauffeur!) fuhren wir noch zu mir und auf dem Weg fragte er mich, ob ich mir vorstellen könne, in Heilbronn auszustellen. Warum nicht? Vielleicht verkaufe ich noch eine Zeichnung oder zwei, so dachte ich damals, als Startkapital meiner geplanten Auswanderung..... Ich sagte zu und ca. ein Jahr später war es dann soweit.

18. August 1982. Vernissage. Mitten im Sommer. Sauer-Gurken-Zeit. Aber: cirka 300 Gäste! Besprechungen in der lokalen Tageszeitung. Artikel und Aufsätze. „Kind der Stadt“, „Junger Künstler“, „Dieter E. Klumpp, ein Heilbronner Künstler...“, et cetera pe pe.... Führungen. Für Blinde. Für Nichtblinde. Für den Verein Städtischer Museen. Verkäufe. Viele Verkäufe. Ungeahnte Verkäufe. Berühmtheit. Bekanntheit. Das ganze Programm. Jung, frei, ungebunden, berühmt, beliebt und gut aussehend. Was will man mehr...?
Ein ganz neues Erlebnis. Ein unbekanntes aber durchaus angenehmes. Bei allen inneren (und unbewussten) Vorbehalten.
Bei einer dieser Führungen kam ein Herr auf mich zu und fragte, ob ich mir vorstellen könne, zeitweise in Heilbronn zu arbeiten, er würde mir dann ein Atelier finanzieren. Gefragt, überlegt, getan. Herr Peter Dautel ward für die nächsten knapp drei Jahre mein Sponsor. Fürderhin war ich dann für ca. drei Tage die Woche in Heilbronn, ansonsten zuhause in Stuttgart.
Schön und ideal war die Werkstatt am Schaafberg 23 in Heilbronn - Böckingen! Ein Atelier im Grünen. Und groß, bestimmt mehr als 100 qm. Als Einstand entstanden „Der Herbst des Patriarchen“, „Der Wächter“ (für die Heuchelberger Warte), und „Ein Paar“ (zwei Muschelkalktorsi für das Eheanbahnungsinstitut Schnepf), alle 1983.

Die Pläne über meine Auswanderung waren dadurch natürlich storniert und alles kam ganz anders.

 

Kapitel III.

Als Dr. Pfeiffer und ich eines Tages bei Herrn Erwin Fuchs, Kulturbürgermeister a.D. und Lokalhistoriker (mit seiner Spezialität „Bauernkriege“), nachmittags zum Kaffee eingeladen waren und er, Erwin Fuchs, auf sein Lieblingsthema über Margarethe Renner, genannt „Die Schwarze Hofmännin“ (aus Heilbronn-Böckingen), zu sprechen kam, saß und lauschte ich tief beeindruckt. Nicht allein wegen seines immensen und detaillierten Wissens, sondern vor allem wegen seiner speziellen Art, seiner Einfühlsamkeit bezüglich der Geschichte, insbesondere gegenüber dieser einzigartigen Frau. Der Sinn meines neuerlichen Aufenthalts in Heilbronn war nun klar, weil plötzlich ein stimmiges künstlerisches Thema existierte, das mich (als Heilbronn-Böckinger) mit der Hofmännin (als Böckingerin) verband! Diesem Thema wollte ich gerecht werden. Daraus wollte ich etwas entwickeln!

Kurz zur Geschichte der „Schwarzen Hofmännin“: Weil er seine Steuern nicht zahlen konnte oder wollte, wurde Hofmännin's Mann zur Strafe über Jahre in den Heilbronner Götzenturm geworfen. Nach vielfachen Anläufen und Petitionen gegenüber dem Heilbronner Rat ihren Mann frei zu bekommen erreichte sie es schließlich, ihn irgendwann sterbenskrank nachhause zu bringen. Bald darauf starb er. Nun fehlte dem Hof der Hofmann. Zu dieser Zeit war die vornehmlich arme bäuerliche Bevölkerung mit widrigsten Steuern geschlagen (der „Zehnte“, „Brautzins“, etc.). Meist waren sie Pächter und Leibeigene, Eigentum besaß kaum jemand. Zudem kam bei der gläubig/abergläubischen Bevölkerung die Jenseitsangst. Die geistliche Feudalität nutzte dies durch die von ihr erfundenen „Ablass-„Zahlerei. D.h., durch die Zahlung bestimmter Summen, konnte man sich von soundsoviel Jahren Fegefeuer freikaufen („Wenn der Taler im Beutel klingt, deine Seele zum Himmel springt“). Gleichzeitig übersetzte Martin Luther die Bibel ins Deutsche. Dies entsprach einer wahren Revolution. Durch Luther und dessen Thesen war zum ersten Mal gefordert, dass der einzelne Mensch ein direktes Verhältnis zu Gott aufbauen konnte, ohne den kirchlichen Instanzenweg gehen zu müssen, wie die römisch-katholische Kirche ihn einforderte. Dies bedeutete zum ersten Mal die Möglichkeit und Aussicht auf individuelle Freiheit. Entsprechend waren auch die Forderungen der Bauern, nämlich „in Freiheit leben und arbeiten zu können“. Kein Brautzins mehr, kein „Zehnter“. Diese neue Forderung allerdings entsetzte die weltliche und geistliche Feudalität in höchstem Maße und Konflikte waren dadurch vorprogrammiert. Also kam es auch zu Aufständen und Streitigkeiten. Die marodierenden „Haufen“ der Bauern zogen durch die Lande. Bei der Weinsberger Burg nahe der freien Reichsstadt Heilbronn, kam es zur Belagerung. Nach dem absehbar war, dass die Burgherren den Bauern nicht standhalten konnten, kam es zur Kapitulation. Ein Angebot der Belagerer beschleunigte dies: freies Geleit hätten die adeligen Weiber und was sie tragen könnten. Diese luden sich ihre Männer auf ihre Rücken und trugen sie davon. Seit dem heißt diese Burg „Weibertreu“. So die Legende. Eine andere besagte, dass die Bauern, nachdem sie eine Burg erobert hätten und die Adeligen gefangen genommen waren, sie durch die „Schwarze Hofmännin“ aufgefordert worden wären, deren Bäuche aufzuschlitzen, um an dem Bauchfett ihre Spieße zu fetten. Diese und andere Geschichten kursierten und brachten Margarethe Renner wohl den Beinamen „Die Schwarze Hofmännin“ ein. Tatsache aber ist, dass Margarethe Renner nach 1525 (d.h. nachdem der Bauernkrieg zerschlagen und beendet war) unbehelligt und betagt eines natürlichen Todes starb. Hingegen Jäcklein Rohrbach, ein Böckinger Mitstreiter, wurde in der Nähe eines heutigen Stadtteils von Heilbronn, Neckargartach, per rechtskräftigem Urteil, zu Tode geröstet....
Man kann aus all dem schließen, dass Margarethe Renner wohl eine sehr einnehmende, starke und zu dem leidgeprüfte Persönlichkeit gewesen sein muss. Letzteres hat wohl bewirkt, dass sie aktiv am Kampf, womöglich als letzte Chance und Gelegenheit für die Erlangung eines einigermaßen erträglichen Lebens, teilgenommen hat. Wenn man berücksichtigt, dass das „Streiten“ zur damaligen Zeit „Männersache“ war, spricht zusätzlich dafür, wie einnehmend ihre Person gewesen sein muss.

Und, Enthusiast der ich war, war ich fasziniert von dieser Geschichte, die uns Erwin Fuchs so beeindruckend erzählte. Beim Hinausgehen sagte ich zu Dr. Pfeiffer:“ Andreas, ich habe den Sinn meines Zurückkommens und ein Thema gefunden. Daraus mache ich etwas!“
Und so kam es dann auch.

 

Kapitel IV

Wie dieser Frau gerecht werden? Wie sich in eine Zeit und deren Umstände hineinfühlen, die nicht meine waren? Wie dasjenige nachspüren, was ihr Kummer, Verzweiflung, Elend und Sorge war?
Mein bloßer Verstand hatte sicher keine klaren Antworten auf all diese „Wies“, indes mein Gefühl, respektive meine Phantasie, doch sehr wohl. Also setzte ich mich hin und zeichnete und recht bald entwickelte sich auf dem Papier, was meiner Vorstellung entsprang. Ich sah, dass diese Arbeit dreiteilig sein musste und lesbar, wie unsere Schrift von links nach rechts. Links der „Thron der Macht“, ein Sinnbild für die kirchliche und weltliche Feudalität. Von ihm aus ziehen sich Ketten (das Zeichen der Unterdrückung) durch das ganze Geschehen. Er steht für die Ursache der damaligen Verhältnisse. Der mittlere Teil heißt „Die Zeit“. Dieser versinnbildlicht das damalige Grauen: Pest, Armut, Verzweiflung, Leid, Tod. Beide Teile „flossen“ geradewegs aus mir heraus, zeichnerisch, wie plastisch. Sie schufen sich gleichsam wie von selbst. Zur Hofmännin selber, dem dritten, rechten Teil der Arbeit, wollte mir nichts einfallen. Zeichnerisch entstand nichts wirklich brauchbares und im kleinen tönernen Modell lediglich Verwerfliches. Über lange Zeiträume war ich darüber am verzweifeln. Sollte ich den rohen Block belassen wie er war, damit Betrachter ihr eigenes „Bild“ von der Hofmännin hineinprojizieren konnten? Oder sollte ich – allen künstlerischen Ladehemmungen zum Trotz – weiter um eine plausible Form ringen? Irgendwann, beinahe planlos, begann ich meine ersten Schläge an diesem Stein. Und – Zufall, Schicksal oder Fügung? – die Hofmännin entstand durch konkretes Machen und Tun. Trotz anfänglicher Hemmnisse gestaltete sie sich nun aber umso klarer. Nach kurzer Zeit hatte ich bereits Kopf und Brust angelegt, bis sich eines Tages der Klang meines Meißels plötzlich anders anhörte als sonst. Ich erschrak. Panisch klopfte ich den Stein ab. Der Klang war an manchen Stellen nicht, wie er sein sollte. Kein Zweifel, da war ein Lager (Lager: nichthomogener Durchzug in Gesteinsschichten). Mit abnehmender Masse, die ich wegklopfte, trat es allmählich an die Oberfläche. So ziemlich das Dümmste, das einem Steinbildhauer passieren kann war geschehen. Ich war gezwungen das Lager zu öffnen, um zu sehen, wie beträchtlich der Schaden tatsächlich war. Das Resultat war, dass besagter Kopf nebst Brust herunterbrachen und im Herabfallen den Dachbalken der mir zum erhöhten Stehen diente, mit Leichtigkeit in zwei Teile zerschlug. Ich konnte mich durch einen verzweifelten Sprung zur Seite in Sicherheit bringen. Mehr war nicht geschehen. Allerdings brauchte ich nach diesem Schock ein paar Bier....
Nun war der Stein in seinem oberen Viertel um die Hälfte schmaler. Im ersten Moment konnte ich nicht einschätzen, ob ich einen neuen Block brauchen würde. Ich versuchte erst einmal mit den gegebenen Umständen zurechtzukommen und legte also Kopf, Brust und Rücken neu an. Das war das reinste Pokerspiel: Millimeter um Millimeter hatte ich zu „feilschen“, um den Rücken herauszuarbeiten. Letztendlich stellte sich das Missgeschick mit dem Lager als durchaus positiv heraus: da ich mangels Masse im vorderen Bereich gezwungen war den oberen Teil des Rumpfes ziemlich nach hinten zu bringen, ergab sich für vorne, insbesondere für den gesamten Unterleib, ein immenses Mehr an Raum. Dies nutzte ich, in dem ich das linke, nach vorne schreitende Bein leicht überdehnte und ihm zusätzlich einen blockexternen Fuß ansetzte, der die inhaltliche Assoziation einer „Erweiterung“ ermöglichen soll. Zudem hat die Hofmännin an ihrer linken Seite zwei Arme. Teile einer Sequenz. Der Hintere noch fixiert, aber bereits nach den Ketten greifend, der Vordere dieser beiden die Ketten bereits sprengend. Sie, im Übrigen, die einzig „aktive“ Gestalt, die „Hockende“, im Mittelteil rechts, Passionsfigur.

 

Kapitel V

Circa drei Jahre arbeitete ich an der „Schwarzen Hofmännin“. Sehr einsam. Sehr allein. Zum Ende der Arbeit hin, mittellos und pleite. Das war auch die Zeit in der ich etwas über Freundschaft, Zuneigung und Politik lernte.
Der Reihe nach.
Kaum dass ich in "eingeweihten" Kreisen verkündete, was ich vor hatte, wurde ich auch prompt allerorten und bei verschiedenen Anlässen gefragt, was denn "unsere Hofmännin" mache, respektive wie nahe ich der Vollendung schon sei. Das war einerseits schmeichelhaft, andererseits aber finanzierte ich die drei mächtigen Blöcke (Gesamtgewicht über 14.000kg) selber. Da ein starker Enthusiasmus mit meiner Idee einher ging, sah ich die Gefahr einer drohenden finanziellen Erschöpfung oder Misere nicht. Möglich ist auch, dass Dr. Pfeiffer (dem ich alles, was für mich zu dieser Zeit in Heilbronn geschah, zu verdanken hatte) mir die eine oder andere Arbeit abkaufte, damit die Finanzierung
fürs Erste gesichert war. Allen war klar, dass dies eine Arbeit für Böckingen werden sollte und alle wollten sie. Aber: wer waren "ALLE"? Das Urgestein der Heilbronner SPD Erwin Fuchs und dessen Bruder, zusammen mit einigen anderen ihrer Partei wollten sie, denn die Hofmännin war und ist fraglos eine Revolutionsfigur, will sagen die plastische Metapher einer Revolutionärin. Eventuell sogar ganz im Sinne dieser alten, leider "fossilen" Politiker, die noch im Geiste eines Kurt Schumacher und, wer weiß, vielleicht auch im Sinne eines Karl Liebknecht, dachten und agierten. Auf ihre Art redlich und ehrlich. Herrn Erwin Fuchs unterstelle ich dies unbedingt. Retrospektiv betrachtet ist er der einzige mir bekannte (ehemalige) Politiker, dem ich vertraute. Dann gab es noch einige "Offizielle", wie z.B. Herr Bosch, damaliger Leiter der Kreissparkasse Heilbronn, der nach ihr fragte und so manch andere, deren Namen mir im Laufe der Zeit entwischt sind... Gefragt wurde ich also bei allen Gelegenheiten, bei Vernissagen, auf der Straße und wo es Menschen gab, die mich erkannten und wussten, woran ich arbeitete. Das gab mir ein gewisses Gefühl der Sicherheit (dass ich künstlerisch auf dem richtigen Pfad wandelte) und der Ruhe (dass die Stadt mir meine Arbeit sicherlich abkaufen und den Böckingern übergeben würde). So verbrachte ich ca. zweieinhalb bis drei Jahre fast ausschließlich in Heilbronn, um dem Ende der Arbeit an der Hofmännin entgegenzusehen. Natürlich blieb es nicht aus, dass einer breiten Öffentlichkeit allmählich bekannt wurde, was ich da im Garten meiner Werkstatt Am Schaafberg 23 so trieb, weil alle paar Wochen ein Artikel in der "Heilbronner Stimme" mein Tun kommentierte. Prompt begannen sich die "Republikaner", der Gärtner Dagenbach und ein gewisser Herr Schnepf als Kunstsachverständige wichtig zu nehmen, in dem sie behaupteten, so habe die Hofmännin doch nicht ausgesehen und sie sei durch mein Bildwerk verunstaltet. Später, bei der feierlichen Übergabe an Böckingen, hängten sie Schilder auf, die u.a. forderten, mich nach § Soundso wegen "Verunglimpfung einer Toten" für soundsolange hinter Schloss und Riegel zu bringen. Dies war ja noch die eher groteske (und auch debile) Seite der Geschichte. Bedrohlich wurde es aber erst dadurch, als mir das Geld ausging.
Ende April 1985 war die Arbeit getan.....Oder: ich beendete sie.

Man fällt dann in ein Loch. Man fühlt sich leer. Was hat man die ganze Zeit über getrieben? Und wozu?
Im Anschluss an die Beendigung dieser steinernen Odyssee fuhr ich mit Freunden für ein Filmprojekt nach Portugal. Nach drei Monaten kam ich mit einem gewissen inneren Abstand aber nun vollkommen pleite zurück.

Ich rief Herrn Reiner Casse, den damaligen Kulturbürgermeister der Stadt und gleichzeitig Chef von Dr. Pfeiffer, an und fragte, ob er mir nicht einen Vorschuss geben könne. Nein, so seine Antwort, das könne er nicht, denn im Gemeinderat sei noch nicht darüber abgestimmt worden, ob die Skulptur angekauft wird oder nicht, war seine Antwort. Die SPD hatte den Antrag gestellt, dass die "Schwarze Hofmännin" angekauft werden solle, die CDU wollte "...mal sehen" und die Grünen waren zunächst dagegen, weil "...so etwas normaler Weise ausgeschrieben wird und es dann einen Wettbewerb gibt..." und ich, so unterstellte man, durch die Hintertür hineinzugelangen versuchte. Und so begann ein Theater, ein Hin und ein Her, das sich ein Jahr lang hinzog. Und ich dazwischen und blitzblank. Einmal, was mir das Ausharren erleichterte, kam eine Spende der Kreissparkasse von DM 4000,- . Von dem Geld ernährte ich mich, bis der Gemeinderat im Laufe des Jahres 1986 knapp für den Ankauf der Hofmännin stimmte. Wieso knapp, da doch all' die Jahre zuvor immer ALLE danach fragten? Weil:

just in der Zeit, in der ich mich in Portugal befand, inszenierte Dr. Pfeiffer den sogenannten "Heilbronner Skulpturenweg" : vom Museum ausgehend, am Neckar entlang und wieder zurück, sollten Skulpturen und Plastiken am Wegesrand aufgestellt werden. Genaue Zahlen, was das hätte kosten sollen, weiß ich nicht mehr, erinnere mich aber, dass, kurz vor meiner Abreise in der lokalen Zeitung eine Zahl, die mir viel zu niedrig erschien, genannt wurde. Damals glaubte ich an einen Druckfehler. Dem war wohl nicht so und als ich zurück kam, waren die Kosten natürlich um ein Vielfaches überzogen. Pfeiffer bekam die Schelte. Und sein Dienstherr, BM Casse, ließ auch schön dessen Kopf öffentlich rollen, um den seinigen zu schonen. Das empfand ich als gemein, hinterhältig und feige. Was hätte Dr. Pfeiffer überhaupt planen und durchführen können, wenn sein Chef nicht grünes Licht gegeben hätte? Nichts. So aber - typisch - wiegt sich ein Politiker wieder mal in Unschuld und andere sind die bösen Buben, die Steuergelder über die Maßen verschleudern....

In die Nachwehen dieser Angelegenheit kam dummerweise der Antrag der SPD über den Ankauf der Hofmännin und deshalb wurde er auch nur knapp angenommen, wie mein Vater, der in der öffentlichen Sitzung dabei war, erzählte, weil das eine oder andere Gemeinderatsmitglied Angst hatte, man (die Wähler!) könne evtl. den Eindruck haben, man "verschleudere" nun schon wieder Steuergelder.
Ich bekam DM 85.000,- für ca. drei Jahre Arbeit (Material, notwendige Maschinen und die Steine bezahlte ich selbst). Heruntergerechnet - ich machte mir damals die Mühe, dies festzustellen - arbeitete ich für ca. DM 900,- monatlich.

Der Tag der Übergabe wurde schließlich festgelegt. Um Dr. Pfeiffer vor einer aufgebrachten Minderheit zu schützen, bereitete ich eine Rede vor, zu dem Zweck, mögliche Aggressionen auf mich zu ziehen. Dies teilte ich ihm mit und er hatte nichts besseres zu tun - warum, weiß ich bis heute nicht! - als es BM Casse mitzuteilen.
Am Samstagabend ,den 13. Dezember klingelte mein Telefon. "Casse. Guten Abend." Ich war bass erstaunt, denn der rief mich bisher nie an. "Sie wollen morgen eine Rede halten?", fragte er. Ich entgegnete, nur im Notfall, nicht unbedingt zwingender Weise. Er sagte, ich solle davon Abstand nehmen. Ich fragte warum. Es soll so sein, meint er, denn "dies ist eine Veranstaltung der Stadt". "Dann kannst du deine Veranstaltung ja machen," dachte ich bei mir und blieb folglich am nächsten Vormittag der "Veranstaltung der Stadt Heilbronn" fern.

Am Sonntag, den 14. Dezember 1986 wurde die "Schwarze Hofmännin" von Kulturbürgermeister Reiner Casse dem Stadtteil Böckingen übergeben. Vis a vis der Hofmännin flankierte ein Zaun ihre eine Seite. Dieser war gespickt von Plakaten, welche von der Wertschätzung der Arbeit gegenüber zeugten: "Herr vergib ihnen, denn sie wissen, was sie tun." Oder: "Wer das Andenken einer Toten verunglimpft, wird mit Gefängnis, nicht unter ....Jahren bestraft.". Und so weiter. Die Situation: Die "Schwarze Hofmännin" mitten im Weihnachtsmarkt umgeben von feindseligen Bürgern ("So sah die Hofmännin doch gar nicht aus!" - Wie sah sie denn aus?). Protestrufe. Aber auch Wohlwollen. Dazwischen Casse und Pfeiffer, nach mir Ausschau haltend. Hierüber gibt es einen Film.
Bevor dies alles geschah, sprach ich mit meinem Freund Norbert ab, er solle streuen, dass ich käme, wenn BM Casse gegangen sei. Dies hatte prächtig funktioniert. Als ich später kam, empfang mich ein Kreis ehrlicher Sympathisanten, der "Böckinger Ring", Pfarrer Döring, die Gebrüder Fuchs, Freunde und viele andere. Ich war gerührt, wie sie alle Anteil und Verständnis für mein Handeln hatten. Wir gingen in die Sakristei der Böckinger Kirche, in der die Zeichnungen hingen, die ich in all' den Jahren während meiner Arbeit gemacht hatte und unterhielten uns dort noch lange. Das war mir eine allerschönste Impression und ging mir sehr nahe.

Wie die Hofmännin mit der Freien Reichsstadt Heilbronn im Großen aneckte, so eckte ich mit ihr im Kleinen an.

Etwas war ähnlich. Etwas überdauert die Zeit: der Ruf nach Wahrheit! Vielleicht auch nach
Gerechtigkeit.

 

Kapitel VI

Nahezu drei Jahre an Arbeit. Entbehrungen. Wagnisse. Widerstand und Unsicherheit. Dann dieses Ende. War das der Hofmännin würdig?

- Danke, Herr Bürgermeister Casse, das haben Sie gut hingekriegt! Und, Dr. Andreas Pfeiffer, der ich dir so verbunden war, wieso hast du ihm von meinem etwaigen Vorhaben erzählt? DICH wollte ich schützen, nicht mich vordrängen oder gar etwas provozieren. -

Nach dem das mehr schlecht als recht überstanden war, widmete ich mich zunächst all' dem, was liegen blieb. Ideen, welche ich nicht realisieren konnte, weil die Zeit oder - ob all' der bisherigen Vorkommnisse - die Konzentration und die Kraft fehlte.

Einiges war aber schon ansatzweise geschaffen. So z.B. die "Figurenlandschaften". Es gibt einige wenige kleinformatige in Jurakalk, zwei großformatige in Muschelkalk. Eine davon erwarb die Stadt Stuttgart und steht in Stuttgart - Büsnau (Der "Patient I." aus 1980/81 war in gewisser Weise Vorläufer dieser formalen Auffassung. Die Arbeit ist im Besitz der Stadt Esslingen a. N. und steht dort am Wolfstor). An diesen also arbeitete ich für eine gewisse Zeit, bis ich mich, ich weiß nicht warum (wahrscheinlich wieder ganz plötzlich, spontan und unvorhergesehen), fragen musste, ob ich denn vor hätte, bis an mein Lebensende Kniescheiben, Bauchnabel, Ellbogengelenke oder dgl. in Stein zu meißeln. Erschreckt verneinte ich!
Ich wollte wissen, was Kunst sein mochte. Was sie bedeuten konnte. Ob sie für mich Sinn macht. Was es sonst noch an Abenteuerlichem und Spannenden gibt neben der Gegenständlichkeit und der Figuration, die ich bis dato strapaziert hatte.
Ich wollte wieder frei sein. Alles mit ganz anderen Augen betrachten. Ich wollte Neues. Anderes. Ich wollte wissen und sehen, was alles ich können könnte, wenn ich's denn anginge. Das gab mir auch frischen Mut, denn die Hofmännin war nun da, wo sie endlich ihren Platz fand (auf den sie ca. 450 Jahre hatte warten müssen), ich wusste, dass sie mir gelungen war (ich weiß, dass Eigenlob stinkt. Dennoch ist das meine feste Überzeugung!) und ich tröstete mich zusätzlich damit, dass Politiker und höhere Beamte kommen und gehen, das "Wahre" aber bleibt. (So ist es! Wo ist Casse heute? Oder: Who the fuck is Reiner Casse?)
Die Quintessenz dieser Erkenntnisse teilte ich verschiedenen Leuten mit, die mein Vertrauen besaßen. Gleichzeitig plante ich, die Werkstatt aufzulösen, um wieder ganz in Stuttgart zu sein. Denn ich empfand meine Mission in Heilbronn als beendet, obwohl ich Heilbronn (d.h. verschiedenen Leuten, "offiziellen" wie privaten und neu gefundenen Freunden) inhaltlich oder ideell nicht den Rücken kehren wollte. Kaum hatte ich also gesprochen und mich erklärt (voll der Hoffnung, man würde meinen neuen Enthusiasmus teilen, mindestens aber verstehen), war alles was drei oder vier Jahre lang von Bedeutung war, vorbei. Der Zauber war gebrochen. Ein Traum war geträumt. Finis.
JUNG, REICH, SCHÖN, ERFOLGREICH war zu Ende. Ich war.......TOT.

Es ist schwer zu beschreiben, was damals eigentlich geschah. Von heute auf morgen war das Interesse an meiner Person erloschen. Niemand interessierte sich plötzlich mehr für das, was ich jetzt künstlerisch projektierte. Keine Einladungen mehr. Keine Empfänge. Keine Empfehlungen. Kein Einkommen durch meiner Hände Arbeit mehr, dafür umso mehr Ausgaben... Man ließ mich fallen, wie die berüchtigte heiße Kartoffel. Nicht mal der künstlerischen Entwicklung wegen, geschweige der "guten alten Zeiten" halber, klingelte mein Telefon. 
Gras war über mich gewachsen. Stille. Funkstille. Grabesstille.

Warum? Weil ich entsprechend auf BM Casse reagierte, indem ich dieser "Veranstaltung der Stadt..." fern blieb? Weil ich neue künstlerische Wege gehen wollte (und man mich nicht mehr als verlässliches "Markenzeichen" handeln konnte)? Oder trat ich etwa Dr. Pfeiffer, zu dem ich wie zu einem Bruder empfand, unbeabsichtigter Weise, zu nahe? Oder war man nur ganz einfach froh, dass man mich los war, nach all' dem kommunalpolitischen und öffentlichen Heckmeck und Hickhack? 

Bis heute weiß ich die Antwort nicht.

Felsen in der Brandung zu dieser Zeit waren mir Peter Friedel, Bodo Peter, Karl-Heinrich Lumpp, Fritz Eichholz, Herr Erwin Fuchs und Siegfried Simpfendörfer (durch dessen Ratschlag und Tipp ich später zum "Lehrer" wurde. Des Überlebens halber.).

Jahre später sollte ich in Freiburg i. Br., wohin ich 1994 verzog, neuerlich Bekanntschaft mit der, die Kultur "verwaltende" Behörde, dem "Kulturamt" (ich habe ein wahres Faible für derlei Wort- und Bedeutungshülsen!) bekommen. Dazu bald weiter unten mehr.

 

Kapitel VII

Was nun folgte war nicht ganz einfach. 
Ich hatte ja keinen neuen künstlerischen Plan. Ich wusste lediglich, was ich nicht wollte. 
Und, für die, die es nicht wissen: Dinge entwickeln sich. daher brauchen sie Zeit. Zeit zur Reife.
Es war wohl Anfang 1987. Ich las verschiedenes; und von dem viel. Ging ins Theater. Betrachtete und beleuchtete dies und das. Langsam unternahm ich, nach einer gewissen Pause, erste räumliche Versuche. Anders geartet allerdings als zuvor in meiner "Steinzeit". Ich machte mir u.a. Gedanken über Gips und Beton. Ãœber "Gießbares" also, über plastische Stoffe. Ich arbeitete aber auch mit Holz, Leim, Papier. Mit allem. Selten mehr mit Stein. Und wenn, dann nicht mit Hammer und Meißel. Ich bemühte mich auch anders zu zeichnen - nicht wie ein Bildhauer. Ich versuchte meine Inhalte zu erweitern. Ich las über Megalithkultur, ohne aber den "Lithos" zu strapazieren, sondern um in die verschiedensten Welten einzutauchen. Ich wollte Alt und Neu verbinden, Grenzen einreißen und mich von all der Vielfalt, die der Mensch an Kultur je schuf, begeistern lassen.  Kurz:, ich suchte. Ich suchte überall. Ich suchte, wo man nur suchen konnte und ich sog auf, wie ein trockener Schwamm das Nass.... 

Unter anderem entstanden "Die Beizen" (seit 1986). Hunderte. "Abfall" wurde zum Thema. In diesem Zusammenhang arbeitete ich beispielsweise mit Pappmaché, Zähnen, Gebissen, Haaren, alten Schuhen, etc.. 
Es entstanden die "Raumzeichnungen". Inspiriert waren diese durch Robert Wilsons Bühnenräume. Dies war eine echte Erweiterung, denn in der Zeit entstand bei mir ein neues Bewusstsein über den Begriff "Raum". Das mag komisch klingen, denn man könnte doch behaupten, dass "Raum" einem Bildhauer sowieso zu eigen ist. Aber - wie üblich - kommt das auf die Sichtweise an. Bei Hrdlicka, bei dem ich studierte, war ich mit der Auffassung konfrontiert, dass der Raum (im Michelangelo'schen Sinne) sich im Stein (und noch eingeschränkter, einer von Hrdlicka's Credo-Sätzen: "Kunst is Floasch und Floasch is Kunst.") befände. Angeregt durch z.B. Joseph Beuys oder auch durch Künstler, welche sich durch Performance und vor allem durch Installation ausdrückten, wurde mir klar, dass im Grunde alles Raum ist: Ich, Sie, Du, ein Tisch, ein Stuhl, ein Saal, eine Straße, ein Bauch, eine Landschaft, etc... 
Es war mir eine Freude und gleichzeitig hochspannend, dieses geistige Neuland zu betreten.  Ich las über Physik. Bei Friedjof Capra über Chaostheorie, bei Stephen Hawking über Theorien Zeit und Raum betreffend. 

Zu dieser Zeit flog ich wahrlich davon. Mein Raumschiff war im Kopf. Die Reise damit ein Abenteuer. Und ich begriff allmählich neue Dinge, weil sich Fragen von Grund auf plötzlich anders stellten. 
Früher brauchte ich eine gewisse politische und menschliche Empörung (als Anarchist, für den ich mich hielt), um in Stein (oder auf dem Papier) eine künstlerische Aussage zu machen. Gewürzt war das Ganze selbstverständlich mit einer reichlich melancholischen Grundstimmung - wie bei Hrdlicka. Einige meiner Kommilitonen und ich glaubten damals tatsächlich, dass ein Mensch so sein und funktionieren müsse, um als Künstler zu gelten. Blödsinnige Hirnwäsche! (Hrdlicka war solch eine Einstellung gewiss nicht unlieb, wenn wir kleinen Pupser ihn zu imitieren versuchten, denn so ergab sich keine ernsthafte Konkurrenz für ihn, sondern es entstanden eher beschränkte Epigonen, die permanent danach lechzten, wenn sie von "Papi" turnusmäßig ihre Streicheleinheiten empfingen.)

Jetzt waren aber plötzlich Fragen, wie "Was bedeutet Abfall?" oder "Was ist Chaos und was ist Ordnung?" in den Mittelpunkt meines gedanklichen Fokus getreten. Es hatte sich mir ein neuer Raum erschlossen. Ich war auf einem anderen Planeten gelandet!

Bedauerlich war damals allerdings, dass mit zunehmender innerer Freiheit, der existentielle Druck wuchs. Mir war es die Jahre zuvor wirtschaftlich einigermaßen gut gegangen, doch hatte ich meine Barschaften im Laufe der Zeit für mein Künstlerdasein aufgebraucht . 1988 wurde ich Dozent in einer Ludwigsburger Kunstschule. Dies half mir zu überleben und ich entdeckte allmählich, dass ich die Arbeit mit Menschen gerne hatte. Bis heute bin ich unterrichtend tätig.

 

Kapitel VIII

Es begann somit eine Zeit (ab 1986), die ich als "Forschung" bezeichnen möchte. 

Es entstanden beispielsweise: 
Die "Beizen", die "Raumzeichnungen" nebst installierten modellhaften Räumen (davon existieren noch einige Fotografien), plastische Versuche mannigfaltigster Art, die "Mumien" (welche ich später ebenfalls lediglich als "Objekte" bezeichnete), eine Serie von "Köpfen" anlässlich des U.S. amerikanischen Angriffs auf den Irak 1990 - 1992 aus Pappmaché ("Wo befindet sich der Geist, wenn der Körper gestorben ist?"), Performances und Installation (mit Thom Martin, Saxophon, 1990 Galerie 'Flüchttor', mit Kreissparkasse, Brackenheim, 1993 Volksbank, Leingarten und 1994 Galerie 'Alpha/Jetzt', Stuttgart. Herbert Wehner eröffnet die Ausstellung - Performance von und mit Hanns-Michael Rupprechter). Und vieles mehr.....

Eine spannende Zeit, eine Wiedergeburt. Oder Nachgeburt?

"Alles hat mit allem zu tun."  Eigenzitat.

Neben der Auseinandersetzung mit Themen aus anderen Disziplinen (der Physik, Psychologie, Neurologie, Philosophie, Anthropologie, Ethnologie, etc.,), trat nun auch vermehrt  die Beschäftigung mit Werken anderer Künstler. Joseph Beuys sei hier an erster Stelle genannt, welcher, meiner Meinung nach zu Recht, den Kunstbegriff durch seine Theorien und sein Werk wahrlich erweitert hat. Ich möchte auch Andy Warhol nennen, der den "seriellen Charakter" der industriellen Produktion in seine Arbeit integriert und dadurch bewusst gemacht hat. Aus biografischem Material weiß ich um seine Offenheit anderen Künstlern, deren Werken und ihrem Denken gegenüber. Anselm Kiefer, Francis Bacon, Willem de Kooning .....  All diese wurden mir zu Lehrern. bei all' dieser Verschiedenheit ging es aber um eines: um Kunst. Und, wo möglich, um Befruchtung, Begeisterung und Empathie.

Die Beschäftigung mit all' dem aus dieser Zeit, war mehr als mein offizielles Studium jemals zu bewirken vermocht hätte. Warum? Weil ich nun durch genügend Abstand zu meinen Studienjahren allmählich künstlerisch und menschlich autark wurde. Weil ich mich ohne das "Behütetsein" eines Studiums behauptet hatte - trotz, wie oben nachzulesen ist, harter und deprimierender Zeiten. Und natürlich auch, weil ich in einem zeitspezifischen Umstand studierte, wo das Wort "Konkurrenz" groß geschrieben wurde. Eher war Abgrenzung angesagt, als Kooperation. Solidarisch war man bestenfalls nach außen. Zugegeben hätte das keiner. Das Verhalten der damaligen Protagonisten aber, war eindeutig. 
Und plötzlich zeigt sich ,dass Andere keine "Feinde" sind, sondern Teil eines Ganzen, das sich in "Verschiedenheit" eint.

All' das sagt sich jetzt so leicht . Bis zu dieser Erkenntnis war es allerdings ein langer Weg. Und man sollte bedenken, dass ein Jeder aus seinen Zeitbezügen die Dinge betrachtet und folglich bewertet.

Diese Zeit war mir, innerhalb der damaligen Zusammenhänge, die wohl üppigste.

Wie liegen die Dinge heute? Ich kann es schlecht sagen, obwohl ich ja Zeitzeuge bin. Mir scheint , dass sich Ausdruck, Form und Sensibilität geändert haben. 
Einiges scheint "locker" und "leicht" hingeworfen zu sein.....Ist es das oder wird "Leichtigkeit" unterstellt und verwechselt mit Oberflächlichkeit ? 
Anderes scheint tiefsinnig. Jedes Detail scheint innigsten Symbolcharakter zu besitzen. Fädchen werden gespannt, fragile spinnwebartige Gebilde weisen auf Feinststofflichstes hin. Sensibilität manifestiert sich durch die des empfindsamen Betrachters (so er/sie selbige besitzt, geschweige, glaubt oder behauptet zu verstehen). Oder handelt es sich statt dessen um  den Ansatz pennälerhafter Denksportaufgaben?
Ist das ernsthaft Kunst?
Vielleicht Designer-Kunst? Handelt es sich hier und da um eine Nachgeburt der Siebziger? Die Formsprache und Planspiele der in Satt- und Sorgenlosigkeit Geborenen?

Und die Reaktionen des Marktes: eloquentes Gewäsch auf belanglose Spielereien und harmlose Pennälerwitzchen?
Ist die "Gebildete" Gesellschaft dermaßen dekadent, dass sie alles konsumiert, wenn die Eloquenz (Schönrederei?) einer schönen Verpackung (Rechtfertigung?) entspricht?

Und dann kam Freiburg....

 

 

Kapitel IX

Freiburg - O Haupt voll Blut und Wunden....
Warum ich überhaupt hierher kam? Das ist wahrlich eine andere Geschichte und hat mit Kunst nichts zu tun.
"Idylle!", dachte ich anfangs, "diese Natur und landschaftliche Schönheit!" Aber auch: "Wo haben die ihre Leichen versteckt?" 
Mir war diese Flammkuchen- und Gutedelromantik von Anfang an suspekt! Mitsamt diesem "grünen" Neuspießertum.

Leider habe ich mich nicht geirrt....

Was wäre im Grunde an Spannendem zu berichten? Von der "Vetterleswirtschaft", die hier existiert? Von Kulturbürgermeistern, welche schon einmal einen Aquarellkurs besuchten? Von deren Untergebenen, die Orte und Plätze "bespielen" wollen und es dann doch nicht tun, sondern sich lieber kleine Denkmäler ("L6") schaffen, damit man noch lange an sie denke? Im Grunde uninteressant. Aber von Unterhaltungswert! Dem Bürgermeister dieses Fleckens wäre en passant zu empfehlen, dieses Dezernat zu schließen und statt dessen bei Bedarf (der Qualität und des Sparens halber) einen Profi für Kunst-, Medien- und Marketingfragen temporär zu engagieren. Dies wäre billiger, effizienter, kompetenter und vielleicht freier von "clanbezogenen" Interessen.
Kaum, dass man vom "Teufel" spricht, erscheint am 25. November 2005 dieser Kommentar im Freiburger STADTKURIER:

Andreas Strittmatter

Einen „heißen Herbst" hat Oberbürgermeister Salomon vor einiger Zeit in Sachen Theaterfinanzierung angekündigt. So stellte sich Finanzbürgermeister Neideck kürzlich an die Spitze jener, welche die Geldnöte des Theaters gegen die der Schulen ausspielen. Auf den ersten Blick hat dieses Argument etwas für sich, doch erweist es sich bei näherem Hinsehen als trostlos, ja perfide. Skandalös ist übrigens auch, dass sich Kulturbürgermeister Kirchbach aus dieser Diskussion einfach ausgeklinkt hat. Glaubt ernsthaft jemand, dass die Schulen auf Dauer von Einsparungen am Theater profitieren würden, wenn nicht einmal der Wille durchklingt, wirklich in Bildung investieren statt nur Versäumnisse vieler Jahre ausbügeln zu wollen? Es ist aberwitzig, Schulen und Theater - letztlich zwei Seiten einer Medaille - auseinander zu dividieren, anstatt die Frage zu stellen, warum nur ein kleinerer Teil der Bürgerschaft das Angebot des Theaters nutzt, das gewiss nicht billig zu haben, aber auch sehr vielfältig ist. Es könnte ja auch daran liegen, dass Menschen, die die meiste Zeit vor der Glotze aufwachsen und/oder Texte kaum lesen, geschweige denn verstehen können (Pisa2!), sich im Theater zwangsläufig langweilen. Vorschlag: Von Neidecks Gnaden und mit Kirchbachs Segen stampfen wir freiwillig unser kulturelles Erbe, unsere kulturelle Zukunft und die Bildung am besten gleich mit ein. Die Straßen hier haben sowieso zu viele Schlaglöcher.

Sie sehen, ich habe nicht zu viel versprochen.

Hier kennt jeder jeden. Allerdings bekämpfen sich auch einige dieser Grüppchen. Es ist nett anzusehen dieses Gerangel in dieser Puppenstubenstadt. Da gibt's z.B. einen Professor, der weiß, was Kunst ist. Allerdings akzeptiert ihn keiner so recht als Künstler, obwohl er schon vor Jahren "radikal" mit der Farbe aufgehört hat. Wie außergewöhnlich! Und keiner hat's gemerkt. Und keiner versteht , was daran das Besondere sein soll. Und trotz seines Professorengehaltes unterhält dieser Professor ein Atelier in einem städt. Hause, das eigentlich für nicht dermaßen liquide Künstler gedacht war. Was aber soll's? Hier geht das.... wenn man die richtigen Leute kennt.
Die einzige öffentliche Person am Rande dieser Melange aus Politikern, "Honoratoren" und Arschkriechern, scheint mir die Frau zu sein, die den hiesigen Kunstverein leitet und, wie mir scheint, sich bemüht, Kunst nach Freiburg zu holen.....

Alles in allem: wäre nicht eher eine pornographische Geschichte über eine Liebelei mit einer jugendlichen Freundin und gewissen Avancen deren Mutter mir gegenüber unterhaltsamer, als eine Reportage über die hiesige bornierte Provinzdümpelei?
Vielleicht? Mal sehen.... hier ein Eindruck ohne "Part III: Die Ganze Wahrheit".

Zur Warnung all' derer, welche damit liebäugeln sich hier niederlassen zu wollen, sollte ich nicht vergessen zu erwähnen, dass meine ersten Jahre in diesem Winkel der Republik ein hartes Brot waren. Beziehungen ließen sich nicht schaffen (weil ich nicht von hier war? Gar ein Schwabe in "Feindesland"? Oder ein Feind im guten Badener -Land?). Ich habe den wahren Grund nie heraus gefunden. Oder ich habe es nie verstanden, mich hier hoch zu dienen. Man weiß ja um der Rituale, die in patriarchalischen Gesellschaften vorherrschen, um in die Gesellschaft der Männer (oder Honoratoren) aufgenommen zu werden. Ich bediente wohl die Falschen... Oder sagte und tat das Falsche...

Dennoch entstand hier und da ein höchst unterschiedliches Maß an Öffentlichkeit auf Grund meiner bescheidenen Präsenz. Es begann damit, dass ich (vor den Toren Freiburgs selbstverständlich!) wieder zu unterrichten begann. Mit den damaligen Schülern begründete ich 1997 den Verein "Atelier G Punkt", e.V.. Wir stellten im Stadtgut Mundenhof u.a. eine Skulptur "GAIA" (sie steht nicht mehr, da das Holz verrottete...) und das "Kleine Tor", 1999 (Holz, Beton). Gleichzeitig entstand (ab 1997) das "TOR - PROJEKT" (ein Konzept, deren Idee ein künstlerisches "Leitsystem" zu Grunde liegt, das Menschen vom Freiburger Hauptbahnhof zu eben diesem Stadtgut Mundenhof leiten sollte: beim Aussteigen sieht man in südöstlicher Richtung eine Plastik, der eine Doppel-T-Formm (TT > Tor) zugrunde liegt. Der neugierig gewordene Betrachter begibt sich zu diesem Objekt, von dem aus er ein nächstes, im Duktus ähnliches, erblickt. Und so weiter, bis er schließlich, durch den von uns so konzipierten Weg, an ein Ziel gelangt.). An dem von mir erdachten Projekt waren in den letzten Jahren verschiedene Menschen inhaltlich beteiligt. Ein geplanter Erdguß eines "Tores" von zwölf Metern Höhe scheiterte am Nichtzustandekommen einer Statik eines involvierten Ingeneurs.

1998 entstanden "BELUS und MALOU". Der Name dieser Figurengruppe erzeugt noch jetzt übelste Erinnerungen bei denen, welche von offizieller, d.h. von städtischer oder behördlicher Seite, irgendwie damit zu tun hatten. Hier ist diese Geschichte zusammen gefaßt.

2005: Dorothea Strauss verlässt den Kunstverein Freiburg. Amélie Niermeyer verlässt das Theater Freiburg. Gelder für Kultur werden gestrichen... Wer bleibt? Was bleibt? Wer trägt die Verantwortung?

 

Kapitel X.

Aber das Leben geht weiter...

Seit ich Holz als Material wählte (ab ca. 1983), wählte ich gleichzeitig auch Farbe, um ihm dieses, dem Holz eigenen, optischen Lebens zu berauben. Mein Anliegen war schlicht: die Form. Dieser Stoff diente mir dazu, "Form" relativ rapide entstehen zu sehen und geschehen zu lassen. Sehr schnell entstand daher das Bedürfnis, diese Art von Matereie in eine andere zu überführen. Der Reduktion, der gesteigerten Versachlichung und Objektivierung halber. Es hätte sich der Guß angeboten. Allein aus Mangel an Monetärem geschah diese Art der Umsetzung leider nie. Das Bedürfnis und der Wunsch sind allerdings geblieben.

In den Jahren ca. 2001/2002 experimentierte ich (wieder einmal ) mit plastischen Materialien (Gips zu dieser Zeit). Diese Arbeiten standen in erster Linie mit den "neumenartigen Zeichnungen" (ab 2001 bis heute) in Verbindung. (Aber auch mit den "Urformen" aus 1999/2001/2002). Es ging darum, einen plastisch-räumliches Äquivalent zu besagten Zeichnungen zu schaffen. Um mit ihnen und durch sie, Verknüpfungen zu räumlichem Empfinden innerhalb einer Mentalstruktur zu erzeugen. (Dies erfährt seine spätere Entsprechung innerhalb des "Synapsen"-Themas und den dazu neu enstandenen Zeichnungen Zyklus I und Zyklus II.)
Auch hier war der Wunsch all diese Formen in Metall zu "objektivieren" sehr groß. Wieder konnte es SO nicht realisiert werden. Dafür aber anders:

Jürgen Morath, Besitzer der Fa. WITEC in Heitersheim, ein guter Freund, lud mich 2002/2003 ein, in seiner, dem Metallbau wirkenden Firma, zu arbeiten. Ich bin ihm zu allergrößtem Dank verpflichtet, denn ohne ihn hätte ich die "Stahlobjekte" niemals realisieren können! Die Philosophie dieser Arbeit besagt, dass jede Form aus massivem Eisen geschnitten und von Hand gedreht oder gebogen, ggf. geschraubt, sein soll. Schweißen war nur zum Zwecke der Sockelung (wo überhaupt notwendig!) erlaubt. Es war die Hölle und ein Spaß zugleich, diese Erfahrung mit einer 3.100 Grad heißen Acetylen/Sauerstoffflamme machen zu dürfen!
Die Arbeiten wurden am 17. Dezember 2004 der Öffentlichkeit präsentiert.

Ab Sommer 2004 folgte die Vertiefung in die Zeichnungsserien Zyklus I und Zyklus II, als auch in das "Synapsen"-Thema (Materialien dieser Objekte sind: Acrylglas, Scoobiedoo-Bänder, Metall. Tusche, Messing, u.a.). Gleichzeitig entstand der Film "Protokoll einer Separation. Part I: The Freiburg Variations, Part II: Rheingold und der unveröffentlichte Part III: Die Ganze Wahrheit." Dieser wurde (ausgenommen Part III, der erst im Mai 2005 entstand) zur Vernissage im Stuttgarter "ZAPATA" (3. bis 6. Februar 2005) unter Androhung einer empfindlichen Strafe zensiert und kam daher nicht zur Aufführung..... (der Stand der Dinge diesbezüglich, ein halbes Jahr später...)

 

Kapitel XI.

Von ungefähr hörte ich schon vor einiger Zeit, dass mein früherer Förderer und Gönner Andreas Pfeiffer seinen Stuhl als Leiter der Städt. Museen Heilbronn an einen Nachfolger, Herrn Mark Gundel, abgab.
Es liegt nun plötzlich der Verdacht nahe, dass die Städt. Museen mit dem Heilbronner Tiefbauamt eine Fusion eingegangen sind, um endlich die Stadt von Unrat zu säubern. Mit der Kunst wurde begonnen. Was wird folgen?

Im Juli 2005 erhielt ich folgenden Artikel der "Heilbronner Stimme":

Das Wandern ist auch der Skulpturen Lust

Kunstwerke verlassen die Innenstadt
Und bevölkern den
Wein-Panorama-Weg
Am Wartberg

Von Andreas Sommer

  Die besonders in der Eichgasse mit figurativen Skulpturen übermöblierte Heilbronner Innenstadt ist entrümpelt. Neun Skulpturen zieren nun auf unbefristete Zeit den Wein-Panorama-Weg am Wartberg, zwei oder drei sollen, so Dieter Brunner von den Städtischen Museen, noch hinzukommen. Zum Weinlesebeginn am 24. September wird der Skulpturenweg am Wartberg mit Führungen der Öffentlichkeit präsentiert.
Wer am Heilbronner Hausberg spazieren geht, ist der einen oder anderen Skulptur schon begegnet.
Und hat vielleicht festgestellt: Die Dezentralisierung bekommt den Kunstwerken ausgesprochen gut,
weil ihnen das Einzeldasein eine ganz neue Selbständigkeit beschert. „In der Natur hat man mehr Muße, sich mit Arbeiten zu beschäftigen als in der hektischen Innenstadt", sagt Museumsleiter Marc Gundel.
Der Skulpturenweg beginnt ganz still am an der Historischen Baumkelter beim Weingut G.A. Heinrich mit Markus Daums „Madonna von Berlin" (1988),
Dieter E. Klumpps „Schwarze Hofmännin" (1983) und Susanne Knorrs „Große Liegende" (1980). Die Arbeiten von Klumpp (eine Studie für die Böckinger Großskulptur) und Knorr waren bislang im Magazin gelagert.
Auf dem Weg zum Wartberg findet in einem Weinberg am kommenden Montag die 4,50 Meter hohe Stahlskulptur „Labora" (2002) von Werner Stepanek als markantes Wegzeichen eine neue Heimat. Seinen Standort in der Eichgasse hat Waldemar Grzimeks „Großer Bedrohter" (1970) gegen einen
 





majestätischen Platz unweit des Sattels getauscht, wo ihr Weinberge und Stadt zu Füßen liegen.
Aus der Eichgasse weg gezogen ist auch Karl-Henning Seemanns „Wasserträger", dem Brunner einen Schutzraum am Wasserreservoir gegeben hat.
Drei Arbeiten konzentrieren sich am Wartberg: „Corpus, Arm" (1988) von Michael Schoenholtz am Parkplatz, Lothar Fischers „Großer sitzender weiblicher Torso" (1978/84) und schließlich als Schlusspunkt Jan van Munsters 2002 installierter „Sonnenstrahl für Heilbronn" auf dem Wartbergturm. Besonders Fischers Arbeit mit der Rost-Patina, die an der Rückseite der Volkshochschule etwas unglücklich stand, bekommt der neue Standort im Grünen ausgezeichnet.
Dieter Brunner plant zudem, auf der kleinen Grünfläche am Sattel den monumentalen „Stein 2000" von Ralf Krämer aufzustellen: „Das ist staatliches Gelände und muss erst noch genehmigt werden."
Wenn es nach Brunner und Gundel geht, kann die Dezentralisierung von Skulpturen im Ziegelei- oder Pfühlpark fortgesetzt werden. Wer weiß, vielleicht verschwindet eines Tages ja das unsägliche Trümmerfrauen-Denkmal vorn Hafenmarkt?

 

Dieser Artikel "nötigte" mich, einen Offenen Brief zu schreiben:

Dieter E. Klumpp 7. September 2005
xxxxxxxxxxstr. xx
7xxxx xxxxxxx
email: d_klumpp@hotmail.com

Offener Brief an:
Heilbronner Stimme
Dr. Marc Gundel
Dr. Andreas Pfeiffer

Betrifft die Entrümpelung der Heilbronner Innenstadt von Bildender Kunst.

Sehr geehrter Herr Gundel,

vor einigen Tagen erreichte mich der Artikel des Herrn Sommer, der über die Entrümpelung der Innenstadt Heilbronns von der Kunst berichtet.

Da Sie u.a. auch eine meiner früheren Arbeiten (eine Vorstudie zur „Schwarzen Hofmännin“, hier im Besonderen eine „Hockende“) aus jeder Öffentlichkeit ins Exil verbannen, frage ich mich, ob der Begriff „Entrümpelung“ ebenfalls in Ihrem inhaltlichen Sinne und Verständnis ist oder ob Sie ihn gar geprägt haben.
Es gab – ca. 1985/86 – eine Skulpturenallee, inszeniert von Ihrem Vorgänger Herrn Dr. Pfeiffer, deren dort ausgestellte Werke auf Heilbronn überregional aufmerksam machten. Einige derer liegen jetzt da und dort im Weinberg versteckt, für auswärtige Besucher mit Sicherheit unauffindbar. Für Vandalen allerdings ideal platziert, um aus der Anonymität heraus und durch die Verborgenheit der Plätze optimal „arbeiten“ zu können.
Wenn sich bei der damaligen Skulpturenallee auch die einen oder anderen empörten (was doch als sehr normal bezeichnet werden darf), über die entstandenen Kosten beispielsweise, so kann man Ihrem Vorgänger doch wenigstens bescheinigen, dass er Kunst einer Öffentlichkeit in Nah und Fern nahe brachte. Trotz Widerstand und dem „Bauernopfer“, das sein damaliger Dienstherr Casse beinahe an ihm begangen hätte. Meine Meinung ist, dass seinerzeit „Wert“ benannt und geschätzt wurde, in Form von u.a. Ankäufen und auch von kämpferischer Auseinandersetzung gegenüber einzelner Werke. Damals.

Es scheint nun aber jetzt so, dass eine Entwertung dessen, das noch vor kurzer Zeit durch die Städt. Museen gesammelt wurde und für das einst beträchtlich Geld hat aufgebracht werden müssen, nun zu einem Schattendasein – weg von jeder Öffentlichkeit – verurteilt ist. Wer kennt sich denn in diesem Weinbergwegelabyrinth aus? Bestenfalls die Anlieger, Hundebesitzer und einige Jogger. Der Reisende, welcher kurzweilig durch HN’s Straßen bummelt, erfährt nichts von all dem. Dadurch sind die einstigen Werte entwertet.

Trifft es zu, verehrter Herr Gundel, dass Ihnen die öffentlichen Nachlässe Ihres Vorgängers Herrn Dr. Pfeiffer gar peinlich sind und Sie, als neuer Leiter der Städt. Museen nicht an dem, was sichtbar hinterlassen ist, gemessen, respektive damit in Verbindung gebracht werden wollen? Erscheint Ihnen die Sammlung , die Dr. Pfeiffer jahrzehntelang aufbaute, als zu prätentiös, zu unzeitgeistig? Betreiben Sie deshalb die Demontage der Arbeit Ihres Vorgängers? Oder verhelfen Sie durch die Entfernung dieser jetzt „Verbannten“, lediglich den Blick auf die HN’er Nachkriegsarchitektur frei zu bekommen? Oder erarbeiten Sie mit Ihrem Adlatus Herrn Brunner eine neues, noch geheimes Kunst- und Kulturkonzept für Heilbronn, auf das wir uns alle freuen dürfen?

Vorläufig vielen Dank für Ihre Initiative, Heilbronn ein wenig zu „säubern“, wenn auch diese Idee nicht mit ganzer Konsequenz und Radikalität durchgeführt wurde: man hätte diesen Plunder auch günstiger entsorgen können. Auf dem Wolfszipfel etwa?

Ich hoffe, dass es Menschen in Heilbronn gibt, die sich nicht lediglich für Fragen über die laufenden Sonderangebote des Kauflandes oder die Schaffung neuer Parkhäuser interessieren, sondern auch für Kunst. Und die Auseinandersetzung über sie. Und die es nicht allein vorgeblich „autorisierten“ Personen überlassen, was mit ihren, durch sie ermöglichten öffentlichen Sammlungen geschieht.

Wir alle, lieber Dr. Gundel, sind gespannt, was jetzt und in Zukunft von Ihnen und Ihrem Adjutanten Brunner kommt. Zeitgemäße Kunst? Her damit! Und nicht kleckern – klotzen!

Eine Frage, die bleibt: wie entsorgen wir jetzt noch den Deutschhof, das Rathaus, das Kätchenhaus und die Kilianskirche?

Ich bleibe ob dieser Frage am Ball und verbleibe mit freundlichen Grüßen, Dieter E. Klumpp!


Ich habe bis heute (Ende September 2005) keine Antwort erhalten und die lokale Zeitung
"Heilbronner Stimme" hat meinen Brief auch nicht veröffentlicht.
Statt dessen erreicht micht heute dies:

"Heilbronner Stimme" vom 21. September 2005


Heilbronn zelebriert am Samstag den Herbstauftakt
Traubenlese als Fest

Viel Sonne, gemäßigte Temperatu¬ren, kühle Nächte: Die Aussichten für den 2005er sind hervorragend. Bei idealem Herbstwetter steigen die Oechslewerte täglich. Wie die aktuelle Reifeuntersuchung der Weinbauschule Weinsberg zeigt, liegt die Qualität bisher zwischen dem Spitzenjahrgang 2003 und dem guten Vorjahr. Hie und da werden bereits Frühsorten gelesen. Der Weinbauverband lädt am heutigen Mittwoch den neuen Agrarminister Peter Haug zur Herbstrundfahrt.
Mit einer bunten Herbstzeremonie am Wartberg feiert Heilbronn am Samstag, 24. September, den offiziellen Lese-Auftakt. Ab 13.30 Uhr demonstrieren Wengerter an der Baumkelter (Riedstraße), wie in den 20er Jahren Trauben gepresst wurden. Gegen 14.15 Uhr beginnt eine geführte Wanderung über den Wein-Panorama-Weg und die neue Skulpturenallee mit Exponaten der städtischen Museen: Leitthemen sind Natur und Wachstum. Das
 

Ausdrucksspektrum reicht von figürlichen Positionen bis zur Abstraktion mit Werken von Dieter E. Klumpp, Markus Daum, Waldemar Grzimek, Werner Stepanek und Karl-Henning Seemann bis Michael Schoenholtz, Lothar Fischer, Ottomar Mohring und Jan van Muster.
Auf der Terrasse am Wasserhochbehälter gibt es auch etwas für den Bauch: Würste, Zwiebel- und Flammkuchen, Schmalz- und Käsebrot, Wasser und Wein.
Nach dem traditionellen Glockenläuten gestalten die Pfarrer Michael Werner und Frank Möhler mit dem Urbanus-Chor und dem Posaunenchor einen ökumenischen Gottesdienst. WG-Vorstand Martin Haag, Käthchen und Weinkönigin Andrea geben schließlich den offiziellen Lese-Startschuss. Ab 17.20 Uhr tragen Margret Able und Ursula Fischer eine heitere Wartberg-Auslese der Autoren Hermann Able und Dorothea Braun-Ribbat vor. Um 20 Uhr steigt ein Feuerwerk, (kra)

 

Und wär's damit noch nicht genug, dann noch:

Grzimek würde sich im Grab herumdrehen, wenn er darüber wüßte.

Ich schlage eine Heilbronn - Freiburg - BIA - (Brothers in Arms) Partnership vor! Das passt!


 Kapitel XII.

Wir schreiben nun das Jahr 2008, Februar. Was hat sich zwischenzeitlich in der Freiburger Wiehre, an der Urachstraße, getan? Stehen dort jetzt - wie von Kulturamtsleiter Achim Könneke und dessen Dienstherrn Kulturbürgermeister Ulrich von Kirchbach 2004 versprochen - blühende Skulpturenlandschaften ?
Mitnichten. Hüppies Gnom steht nach wie vor (seit 2004), nebst diesen geheimnisvollen Dingen auf Bäumen. Warum werden die Pläne, im Wechsel einen "Kunstpfad" o.dgl. zu errichten, nicht umgesetzt?
Es komme mir keiner mit dem Argument, dass es kein Geld gebe. Diese "Rechtfertigung" oder Ausrede, sah ich bereits 2004 kommen. Man wollte "Belus und Malou" einfach weg haben und Schluss. Das ist gelungen. Auf der Basis von Lüge und nicht eingehaltenen Versprechungen.
Renommierobjekte, wie z.B. Lameystraße ("L6" - wer denkt sich eigentlich dermaßen antiquierte Abkürzungen aus?!), lassen sich, wenn man geeignete Sponsoren hat, nach außen auch großartiger verkaufen. Außerdem lassen sich Bewerber leichter finden, zumal diese ja von alleine kommen. Wer aber ist schon so blöde, in der Urachstrasse für "umme" (meist wird auf die kostenlose "Öffentlichkeitswerbung" verwiesen!) etwas hinzustellen? Um derlei geeignete Personen zu finden, müsste Herr Könneke den ganzen Tag Klinken putzen gehen ....

Wieder einmal zeigt sich, was in Teilen der Öffentlichkeit lange bekannt ist. Dass Politiker und deren Kommis das Eine reden oder versprechen und das Andere machen.

(Vergleichen Sie bitte hierzu: Kapitel IX und http://www.kulturamt.freiburg.de/pdf/Bericht_Kulturamt_2004.pdf - Seite 12.,: "Kunst in der Urachstrasse. In Zusammenarbeit mit „Stadtgrün und Friedhöfe“ und dem Wiehremer Bürgerverein wurde für die Grünflächen entlang der Urachstraße ein Ausstellungsprogramm für Künstler aus der Region initiert. Ausgewählt vom Fachbeirat Kunst im öffentlichen Raum sollen wechselnde Künstler die Flächen zur ca. zweijährigen Präsentation von Skulpturen zur Verfügung gestellt bekommen. Den Beginn markiert der Baden Badener Thaddäus Hüppi, der eigens für den Standort eine auf einer Säule sitzende Figur entwarf und realisierte. Das Skulpturenpaar “Belus und Malou” von Dieter E. Klumpp und Lubor Kurzweil, das etwa fünf Jahre ebenfalls als Leihgabe am Standort ausgestellt war, wurde an die Künstler zurückgegeben. In etwa zweijährigen Rhythmen sollen zusätzliche Skulpturen in Ergänzung oder anstelle der bisherigen folgen." und: http://www.dietereklumpp.de/text/Bema_finale.pdf)

 

 

 Kapitel XIII.

Dieter E. Klumpp· Martackertenstr. 38 · Email: d_klumpp@hotmail.com · 
Freiburg, den 23. Juni 2009

Offener Brief.

An die Herren von Kirchbach, Könneke und Winkler.

Sehr geehrte Herren,
am 3. Juni 2004 ließen Sie (Herr von Kirchbach und Herr Könneke) meine Skulpturengruppe „Belus und Malou“ zwangsräumen. Ob dies Herr Winkler als Vorsitzender des Bürgervereins Unterwiehre inhaltlich unterstützte, weiß ich nicht. Ich meine, er schaute weg und hüllte sich in Schweigen.

Damals versprachen Sie den Wiehrener Bürgern, dass im Wechsel, alle ca. zwei Jahre, an der Urachstraße neue Skulpturen aufgestellt werden würden. Es war sogar die Rede von einer „Skulpturenallee“.
Nichts ist seitdem geschehen, wenn man von dem „Lückenbüßer“ von Hüppi, der seit dem dort aufgestellt ist, und der niemandem etwas tut, einmal absieht.

Das war vor fünf Jahren.
Ich hätte Ihnen damals schon ins Stammbuch schreiben können, dass Sie leere Versprechungen machen. Heute aber sage ich Ihnen, dass Sie lügen.

Und bitte, kommen Sie mir nicht mit der „allgemein schlechten wirtschaftlichen Lage“ – für die Kunst, war diese schon immer schlecht.

 

Sie machen Ihren Reputationen als „Kunstverwalter“ alle Ehre.

Dieter E. Klumpp

 

 

 Zur Entspannung eine Provinzposse:

Creme de la Künst


 

 

Am 25. Juni 2009 ein Leserbrief im "Stadtkurier":

Genau!

 

 

 

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